„Nix passiert!“ oder doch? Gedanken über das Trösten bzw. Begleiten von Babys und Kleinkindern
In der Zeit des Mobilwerdens bis zum Gehenlernen und auch noch darüber hinaus erleben junge Kinder immer wieder kleine und auch etwas größere Stürze und Unfälle, manchmal auch mit blauen Flecken und Schrammen. Das kann ein Ausrutschen auf einem Baustein sein, ein Anstoßen an einem Möbelteil, ein Sturz von einer Bank oder Couch…
Diese Erfahrungen sind leider auch wichtig, denn das Kind lernt durch kleine Unfälle, auf sich und seinen Körper achtzugeben, es bekommt Übung darin, sich beim Sturz abzurollen, es erlangt ein Gefühl für Höhe und die unterschiedlichen Eigenschaften verschiedener Untergründe. Es erfährt beispielsweise, dass ein Holzboden härter ist als eine Wiese…., dass eine ungünstige Drehung auf der schiefen Ebene (ein Bewegungsgerät im Pikler-SpielRaum) auch bewirken kann, dass es – in Stufenhöhe – runterpurzeln kann.
So wie die Unfälle und Stürze unterschiedlich schwer ausfallen sind die Reaktionen der Kinder darauf äußerst verschieden.
Manche Kinder wirken sehr robust und hart im Nehmen und sie machen sich nicht viel aus einem (kleinen) Unfall. Es geht ohne Unterbrechung und Information der Erwachsenen weiter. Oft sagen die Eltern dann „Mein Kind lernt irgendwie nichts daraus, es ist halt ein kleiner Sturzpilot.“
Andere Kinder geraten auch schon bei einem kleinen Unglück aus der Fassung und müssen sehr stark weinen. Dazwischen ist natürlich auch jede Ausprägung möglich.
In jedem Fall kann eine kleine Beschreibung der Situation hilfreich sein, um dem Kind zu helfen, das Geschehene einzuordnen. „Hoppla, da ist ein Auto am Boden gelegen, und du bist draufgestiegen und darauf ausgerutscht.“ Oder „Da warst du jetzt so schnell unterwegs, dass du dich beim Kasten angestoßen hast.
Das Kind, dass scheinbar nichts aus seinen Missgeschicken lernt wird vielleicht mit der Zeit achtsamer, wenn es die Unfallursache einsortieren kann.
Das Kind, dass sehr erschrocken reagiert und womöglich weint, braucht noch mehr, noch eine andere Erkenntnis. Da ist jemand, der mich wahrnimmt und meinen Gefühlen Worte gibt. Auch so entwickelt sich das Bild des Kindes über sich selbst, das Selbstbild. „Oh, da bist du jetzt erschrocken. Ich bin für dich da. Es wird wieder gut.“
Wollen wir empathische Kinder?
Ein neugeborenes Baby weiß seine verschiedenen Gefühle noch nicht zu deuten. Hunger, Durst, Unwohlsein, Schmerzen, Angst, Freude, Müdigkeit… all das lernt das Baby in den ersten Lebensjahren kennen. Um diese unterschiedlichen Empfindungen einzuordnen braucht es – vor allem anfangs – einen Menschen, der ihm dies mit einfachen Worten verständlich macht. Wenn die Bindungsperson die Signale des Babys wahrnimmt, versucht diese sie zu deuten und zu erklären: „Oh, ich glaube du hast jetzt Hunger. Ich werde dir gleich das Essen geben.“ Oder „Der laute Knall hat dich jetzt sehr erschreckt, da ist die Türe zugefallen.“
Erst mit ein paar Monaten kann es die Gefühle etwas differenzierter spüren und Bedürfnisse ein klein wenig aufschieben.
Und erst mit ungefähr drei Jahren kann das Kind die Emotionen anderer verstehen und sich in jemand anderen hineinversetzen. In den folgenden Jahren lernt es dann, seine eigenen Affekte besser zu steuern (Impulskontrolle). Das kann es aber nur dann, wenn es vorher von der bzw. den Bindungspersonen gelernt hat, wie das geht. Je sicherer ein Kind sich seiner eigenen Gefühle sein darf, umso sicherer kann es diese auch kontrollieren, denn es wird mit der Zeit lernen, was die verschiedenen Emotionen ihm sagen wollen.
Kinder lernen durch Spiegeln das Geschehene einzuordnen
Es wird versprachlicht und auch gezeigt, was passiert ist. „Schau her, genau da bist du angestoßen und dann hingefallen. Das hat dich sehr erschrocken.“ In der vorsprachlichen Zeit erleben wir dann oft Kinder, die selbst nochmals zur Unfallstelle gehen und hinzeigen, wo sie gestürzt sind oder sich angestoßen haben. Wer wegschaut und die Verletzung nicht wahrnimmt oder negiert mit einem „Ist nicht schlimm!“, erschwert dem Kind auch die Möglichkeit, die Fähigkeit zu entwickeln, selbst darüber zu sprechen. Das Kind kann so viel schwieriger eine Wahrnehmung, ein Bild von sich selbst entwickeln.
Zuwendung und Berührung hilft tatsächlich auch gegen Schmerzen und Anspannung, wie auch Tränen, die fließen dürfen, zum Spannungsabbau beitragen. Ob das Kind lieber gehalten werden will oder ob es ihm genügt, mit einem Heilebussi die Schmerzen wegzublasen ist dann sehr individuell und unterschiedlich.
Jedenfalls ist liebevolles beschreibendes Begleiten solcher Situationen, ohne zu dramatisieren, aber auch ohne zu bagatellisieren ein guter, nachhaltiger Weg.